Text Teufel beim Graben

Der Teufel beim Graben

Die Sage von der Entstehung des Teufelgrabens

nacherzählt von Sabine Schreiber

Wer schon eine Zeitlang hier in Holzkirchen lebt, der hat sicher schon etwas vom „Teufelsgraben“ gehört. Der „Teufelsgraben“ ist ein tief in unsere Gegend eingeschnittenes, kleines Tal, das sich vom Kirchsee her in einem großen Bogen westlich um Holzkirchen herum schwingt, sich zwischen unserem Ort und Otterfing durchzieht und bis zum Mangfallknie bei Grub reicht. Es ist ein trockenes Tal, obwohl es so ausschaut, als müsst’ an seiner Sohle doch eigentlich ein Fluss laufen – so wie die Mangfall zum Beispiel. Aber bis auf ein paar Rinnsale und den Kirchseebach, der aus dem Kirchsee hinaus, durch den Hackensee hindurch und als Hackenbach irgendwo im Teufelsgraben zwischen Dietramszell und Holzkirchen versickert, gibt es kein Gewässer in der bewaldeten, schattigen Landschaftsfurche.

Für die Menschen war dieser Einschnitt schon allerweil eine Plage, weil es immer eine rechte Plackerei war, drüber hinweg zu kommen. Sei es zu Fuß, mit dem Fuhrwerk oder dem Radl. Für den motorisierten Verkehr oder die Bahnstrecke musste man mühsam erst Wälle aufschütten, und um frisches Trinkwasser nach München zu bekommen wurde vor über 100 Jahren sogar ein Aquädukt gebaut. 19 m hoch und 91 m lang ist die Teufelsgrabenbrücke. Schon eine Leistung für’s Jahr 1890. Also kurzum: Die Menschheit hat sich oft über den Teufelsgraben ärgern müssen. 

Wen dieser Umstand allerdings freuen könnt, kannst Du Dir wahrscheinlich denken. Vielleicht, sagst Du Dir, hockt der Teifi unten in seinem rußigen Kabäuschen und freut sich schwarz, wenn sich mal wieder jemand durch den nach ihm benannten Graben plagen muss.

Gut möglich, sag ich Dir, aber es gibt noch eine ganz andere Geschichte dazu – und zwar eine, wo der Teifi, der gscherte Hund, nämlich quasi leer ausgeht.

Vor langer, langer Zeit konnte man schnurstracks und auf ebener Erde gemütlich bis hinüber nach Otterfing marschieren oder mit dem Heuwagen fahren. Die Leut waren genauso gscheit und blöd, nett oder gschert wie heut auch, aber sie lebten halt noch anders – ohne Auto, Internet und Nutella. Und eines Tages, es hat schon gedämmert, da ging der Mesner – ob’s der von Holzkirchen oder Föching war, da ist man sich heut nicht mehr ganz einig – auf jeden Fall ging der Mesner hinüber zur Kirche, um den Feierabend einzuläuten. Die allermeisten fleißigen Leut waren schon daheim und freuten sich auf’s Abendessen, nur noch wenige eilten hungrig nach Haus. Da kam dem Mesner ein gar finstrer Gesell entgegen. Eine mordstrum Schaufel über der Schulter und den Hut tief ins Gesicht gezogen. Und obwohl der Mesner ihn im Dämmerlicht nicht genau erkennen hat können, hat er doch gemerkt, dass das jemand war, der neben der Schaufel auch noch eine riesen Stinkwut mit sich herumgeschleppt hat. Geknurrt und gegeifert hat der Schaufelträger und beim Gehen so fest aufgestampft, dass er tiefe Abdrücke seiner beschlagenen Stiefel in der Straße zurückgelassen hat. Und weil der Mesner ein wiefer Kamerad war, der sich immer für die Leut interessiert hat, hat er nicht lang überlegt und den Grantigen angesprochen: „Grüß Gott, wo willst na du no hi heut, mit deiner schweren Schaufel?“ Da hat es den Schaufler durchzuckt, wie wenn man ihm eins mit dem Ochsenziemer verpasst hätt’ und er hat mit grausiger Stimme geranzt: „Heut Nacht grab ich den Münchnern das Wasser ab. Die Isar leit ich von Tölz hinüber nach Rosenheim, damit die bluadigen Münchner trocken fallen.“ „Ja wos!“, hat der Mesner ausgerufen, „Was haben dir denn die Leut z’München na getan, dass’d ihnen gleich die Dürre an den Hals wünschst?“ „Derbleckt haben sie mich. Ausgschmiert. Eine Kirch ohne Fenster ‘baut haben sie, die trotzdem hell drinnen ist! Meine Wett’ hab ich verloren desazwegen und die Seel’ vom Baumeister noch mit dazu. Aber zur Strafe grab ich ihnen jetzt das Wasser ab. Durschten sollen’s, kreuzkruzifixsakramentnomonei!“ Wie der Teufel – das war jetzt dem Mesner freilich klar, dass das kein anderer sein kann – als der Teufel also so geflucht hat, hat sich unser mutiger Mesner gleich mehrfach bekreuzigen müssen. Aber davon gelaufen ist er nicht. Stattdessen hat er den Höllenfürst, den satanischen, gefragt: „Da wirst aber lang brauchen dafür, das ist ja schon ein ganz schönes Stückerl Arbeit, wenn Du des alleine schaffen willst. Oder hast noch jemand, der dir beispringt?“ Da hat sich der Teufel geschüttelt vor Lachen und hat ausgerufen: „Ich bin der Teufel. Ich brauch keine Hilfe nicht! Ich lass mir tausend Arme wachsen und dann grab ich den Münchnern das Wasser ab – und zwar in den wenigen Stunden zwischen Deinem Abendläuten und dem Läuten in der Früh!“ „Das mag ja schon sein, dass du der Teufel höchstpersönlich bist“, hat der Mesner gesagt. „Aber in einer Nacht die Isar von Tölz nach Rosenheim umleiten… ich weiß es ja nicht. Also: Wenn du das schaffst, dann, erstens Respekt und zweitens darfst dann meine Seele mitnehmen.“ Da hat der Teufel aufgemerkt und unter dem dunklen Hut haben seine Augen feurig und bös herausgefunkelt, so dass man kurz auch seine Hörner hat schimmern sehen. „Aber wenn du es fei nicht schaffst – wo ich mir ziemlich sicher bin – “, hat der Mesner noch hinzugefügt, „dann, ja dann musst du dieses dein Unterfangen ein für alle mal bleiben lassen.“ Der Teufel hat was Unverständliches geknurrt und der Mesner nochmal nachgesetzt: „Gilts? Wenn du es schaffst, hast die Münchner bestraft und meine Seele. Wenn du es nicht schaffst, behalt ich meine Seel’ und du hörst das Schaufeln hier für immer auf. Ist eine faire Sach’ – für dich als zauberkräftigen Teufel.“ Da hat der Teufel in die hingestreckte Hand vom Mesner eingeschlagen. Haarig war die Hand und heiß und hart und grindig. Zugedrückt hat er, dass dem Mesner die Knöchelchen nur so geknirscht haben. Und draufgespuckt hat der Teufel auch noch auf die Wetthände, einen grün-schleimigen Glachaling, der den Mesner auf der Haut gebrannt hat wie Tausend Brennesseln auf einmal. „Gilt.“, hat der Teufel gegrölt und gelacht, dass es dem Mesner durch Mark und Bein gefahren ist. Dann hat der Höllenfürst seine Schaufel wieder geschultert und ist los gewetzt. Der Mesner hat sich die Schwurhand gerieben, hat sich den Teufelsschleim abgewischt und mit doch ein bisserl zittrigen Knieen ist er in die Kirch hinein und hat die Glocken für den Feierabend geläutet. Kaum war der letzte Glockenton verklungen, da hat man, wenn man’s gwusst hat, ein dumpfes Dröhnen und Beben unter den Füßen gespürt und der Mesner hat gewusst: Jetzt gräbt er, der Teufel. Mit seinen tausend Armen. Aber er ist nicht heimgegangen, unser wiefer Mesner, nein, woher denn. Er ist in der Kirche drinnen geblieben und hat gewacht und gelauscht. Und als der Minutenzeiger der großen Kirchturmuhr die erste Minute der 3. Stunde des jungen Tages anfangen wollte, da ist der Mesner ganz leise hinaufgestiegen und hat dem Zeiger ordentlich Schwung gegeben, so dass er auf einen Sitz zwei Stunden vorangesaust ist und die Uhr schon gleich 5 Uhr morgens angezeigt hat. Da hat der Mesner sogleich die Stricke der Glocken gepackt und hat geläutet, was das Zeug hält. Die Gockel der Bauern sind aus ihren Ställen hinausgeschossen wie Kanonenkugeln, so erschrocken sind sie, weil sie gemeint haben, sie hätten verschlafen und haben alle wie aus einer Kehle angefangen zu Krähen.

In diesen Radau aus Kikeriki und Bimbambam hat sich auf einmal ein wütendes Gebrüll gemischt, das hat gedröhnt, als würden sich alle Löwen der Welt gleichzeitig ärgern. Aber das war natürlich der Teufel, der innerhalb kürzester Zeit schon wieder eine Wette und eine Seele verloren hat…

Er ist auf der Stelle, wo er war, in die Hölle hinabgefahren, und zurückgeblieben ist nur das Tal, das wir heute den Teufelsgraben nennen. Wer mutig ist und sich traut, der kann sich ja einmal auf die Suche machen, ob er oder sie das Loch findet, welches gradewegs in die Hölle hinabführt und durch welches der Teufel damals hinabgefahren ist.

Wie könnt der Teifi mit seiner Schaufel ausgeschaut haben? Wo mag ihn der Mesner wohl getroffen haben? Hat es geraucht und gefunkt, wie der Leibhaftige vor Ärger wieder hinab gefahren ist in seine Hölle? Oder welche Bilder und Ideen rauschen Dir beim Überlegen zu dieser Geschichte durch den Kopf? Lass uns dran teilhaben!