Text Feurio

Feurio!

Holzkirchner Unglücke

beschrieben von Sabine Schreiber

„Kirche im Holz“, „Holzkirchen“ – schon der Name legt nahe, was der grundlegende Baustoff hier gewesen sein mag. Freilich, rundherum ist vor allem eins: Wald. Was es in Hülle und Fülle gab: Holz. Was allerdings eher weniger: Wasser.

Der erste urkundlich belegte Brand vernichtete 1490 insgesamt 15 Häuser. Man muss es sich mal vorstellen. Es gab damals hier nur äußerst wenig Wasser. Das Wasser, das man zur Verfügung hatte stammte vom Taubenberg – mühsam über hölzerne Wasserleitungen hier her transferiert. Bei der Kirche gab es ein Becken, in welches sich das ergoß, was vom Taubenberg her kam. Außerdem sammelte man Regenwasser. Mehr war da nicht. Und wenn es denn dann brannte – und das kann man sich ja vorstellen, wie es das tut, wenn es trocken ist und rundherum alles aus Holz erbaut – dann rannte man zusammen und schöpfte mit Eimern aus Holz oder Leder aus den spärlichen Reservoirs und reichte sie von Hand zu Hand bis zum Brandherd. Zisch. Gut gemeint, aber eher erfolglos. 1490 brannte sogar die Kirche ab. Das Kloster Tegernsee half – so die Überlieferung – aber großzügig und schnell beim Wiederaufbau. Abt Quirin Regler vom Kloster Tegernsee erließ nur wenige Jahre danach sehr gestrenge Regeln, die den unvorsichtigen Umgang mit dem Feuer unter hohe Strafen stellte. Aber ganz ehrlich: was ging denn schon im 15. Jahrhundert ohne Feuer? Kochen? Nein. Heizen? Nein. Beleuchten? Nein. Und so weiter. Gut, bieseln und schlafen, aber sobald man ein gescheites Kartenspiel tun wollte nach Sonnenuntergang? Kerze, Karten, Bier – „I spui mit der Kugelbums.“ – „Schuss!“ – „Ah geh, I hätt’ lieber an gescheiten Ramsch do.“ – „Wer von eich hod do gmauert?“ – „Stich!“ – „Hä, bass auf, de Kerzn“… 1532, gute 40 Jahre nach dem ersten urkundlich dokumentierten Brand, verheizte ein Feuer den ganzen Markt. Exakt 30 Jahre später: Scho wieder. Und bereits 1586 verschlang erneut ein Feuer einen Teil des Ortes. Zumindest nicht ganz.

Der Nachtwächter rief: „Es Herrn und Fraun lassts enk sagen, Hammer und Uhr ham 12 geschlagen, gebt’s Acht auf Feuer und auf’s Liacht, dass uns hier koa Unglück gschicht.“ Und obwohl es bei Strafe verboten war, mit brennender Pfeiff’ in den Stall zu gehen, Pistolen abzuschießen und sogar Johannifeuer zu entzünden, brannte 1728 der Anderlbräu nieder, 1777 das Kistlerhaus in der Tölzer Straße und 1802 legte leider jemand absichtlich Feuer. Im Jahr 1841 entstand aus unbekanntem Grund ein Feuer im Zimmererstadel des Unterbräuhauses. „Dort gelang es in die Brennerey“ schreibt ein Augenzeuge in sein Tagebuch, „und die Menge Branntwein gab ein prächtiges, blaues Feuer.“ Leere Bierfässer ließen sich nicht lang bitten und gingen ebenfalls in Flammen auf.  Die gesamte nordöstliche Marktplatzseite zerfiel in Asche und ärgerlicherweise verbrannten auch gleich zu Beginn die markteigenen Löschgeräte. Gottseidank eilte man aus dem umliegenden Dörfern zu Hilfe und verhinderte Schlimmeres. „Die Brauer gaben Bier genug zur Labung und Kühlung, aber viele, die dort nicht gelöscht haben, haben hier genossen.“ Hauptsach’, ‘s Bier wird nicht warm. Schon 3 Jahre später muss wieder gelöscht werden… Schlimm war es allerdings für’s Bier vor allem 1895. 1000 Hektoliter gingen beim großen Brand im Oberbräu damals zu Grunde. Aber noch andere dramatische Szenen ereigneten sich, denn insgesamt brauchte es final 30 (!) Feuerwehren aus der Umgebung, die herbeieilten, um das Feuer zu bezwingen. Sogar aus Miesbach kamen die Feuerwehrler per Expresszug angeeilt – aber der Druck der Wasserspritze reichte nicht, um das Feuer im Kirchturm zu löschen. So kraxelte ein mutiger Feuerwehrmann im brennenden Turm die Treppen hinauf und bremste das Feuer durch Dreinschlagen mit einem nassen Schurz, bis die kräftigere Spritze aus Helfendorf samt Mannschaft vor Ort war. Die Helfendorfer hatten allerdings ihre Zugpferde so zur Eile angetrieben, dass diese den Höllenritt nicht überlebten. Ein Gendarm wurde von einer umfallenden Leiter schwerverletzt und überlebte, aber der krank zu Bett liegende Holzkirchner Feuerwehrkommandant grämte sich so arg über seinen Ausfall, dass er an einem Herzschlag verstarb…

Eigentlich hätte die Holzkirchner Freiwillige Feuerwehr im vergangenen Jahr ihren 150. Geburtstag absolvieren wollen. Schließlich war sie bereits 1870 gegründet worden. Auf freiwilliger Basis arbeiten seither Feuerwehrler·innen daran, bei Brandfällen und der gleichen Schlimmstes zu verhindern. Jetzt hat es auch in diesem Jahr keine Möglichkeit gegeben, gemeinsam zu feiern – aber wenn’s die Umstände zulassen, dann denk’ dran, was für eine historische Bedeutung die Feuerwehr für Holzkirchen hat und feier’ eine kleine Runde mit – angedenk der vielen Brände Holzkirchens, lösch wenigstens dann den Deinigen.

Bis dahin: Wie mag das ausgeschaut haben, wenn Holzkirchen in Flammen stand? Und wenn die Feuerwehr oder die Bürger·innen selber versucht haben den Brand zu löschen? Wie hat es gerochen und wie mag es ausgesehen haben, wenn dann die letzte Flamme erstickt war?