Schlüpft man durch die Tür in die kleine Lenggrieser Dorfschänke, genannt „der Bunker“, ist man augenblicklich drin – in der reinsten, ur-bayerischen Stammtischseligkeit.
In einen Winkel der Bachmairgasse duckt sie sich hinein, die kleine Wirtschaft mit den gelb-schwarzen Fensterläden – mitten im Lenggrieser Ortsteil „Schmoizgruam“, gleich neben Kirche, Maibaum und Dorfbach. Wie eine schalkhafte alte Dame blinselt sie mit blanken Fensterscheiben unter ihrer Lüftlmalerei hervor. Nebendran, nur ein Hupfer über die schmale Straße, bauschen sehr alte Linden und ein paar Kastanienbäume ihr Blätterwerk über einem Biergarten. Ein würziger Duft, der eine handfeste Mahlzeit verspricht, zieht seine Runden im Quartier und bittet unmissverständlich zu Tisch: Meine lieben Leut‘, im Bunker hat man den Grill bestückt!
In der Gaststube haben sich die, die ohnehin wissen, dass man hier als Gast ein recht gutes Auskommen hat, schon niedergelassen. Gleich hinter dem Ausschank, direkt neben dem Durchgang zur Küche murmelt und raunt, lacht und poltert es am altehrwürdigen Stammtisch. Er ist das Herzstück der Dorfschänke, denn als das ursprüngliche Gebäude um 1900 errichtet wurde, hatte neben dem Schank nicht recht viel mehr Platz außer dem großen Tisch für die täglichen Wiederkehrer. Dort saß dann schon damals ein eingeschworenes Grüppchen, während der Wirt hauptsächlich das sogenannte Gassenbier durch ein kleines Fenster hinaus reichte, wo Kinder mit Bierkrügen Schlange standen, um dem Vater einen Feierabendschluck zu holen.
Der Bunker …
Warum die Einheimischen ihre heimelige Dorfschänke „den Bunker“ nennen, erschließt sich nicht von selbst. „Urlauber und Fremde stehen da regelmäßig vor einem Rätsel, bis sie sich dann schließlich trauen zu fragen.“, erklärt Elisabeth Adlwart. Die Lenggrieser nennen sie liebevoll die Bunker-Lisi. Resolut ist sie, ein echtes Original und für eine Wirtin ihres Formats fast schon unverschämt jung. „Es ist gar nicht so ganz klar, warum das hier für die Leute „der Bunker“ ist. Die einen sagen, weil man früher hier das Eis für‘s Bier im Keller gebunkert hat, die anderen, weil sich im Krieg die Soldaten ab und zu nach dem Zapfenstreich vor der Militärpolizei im Keller versteckt haben. Hernach war es wohl üblich zu sagen, man sei im Bunker gewesen.“ Die 33-jährige hat den grauen Strickjanker aus- einen schwarzen langen Schurz über den Lodenrock gezogen und krempelt die Ärmel der gewürfelten Bluse auf. Sie wirkt jugendlich, ihr Gesicht hat einen weichen, mädchenhaften Zug, aber ihre Hände erzählen von intensiven Arbeitstagen, davon dass diese Frau eines wohl schon immer konnte: Zupacken. Bereits vor elf Jahren, sie war gerade erst 22, übernahm sie die Lenggrieser Traditionsgaststätte. Von allein wäre sie damals allerdings nicht im Geringsten auf die Idee gekommen.
… und die Bunker-Lisi
Inzwischen steht sie am offenen Grill in der Gaststube. „Das war schon immer so: In den Bunker geht man auf ein Kellerbier und ein Grillfleisch.“ Sie, Tochter der Wirtsleute vom Jaudenstadel in Lenggries-Wegscheid, war oft mit ihren Eltern in der Dorfschenke zum Essen gewesen. So auch an einem Abend im Dezember 2004, als sich der der damalige Bunker-Wirt dazusetzt und dem Jaudenstadel-Wirt das Lenggrieser Juwel zur Übernahme anbietet. „Mein Vater hat dann abgewunken und gemeint, für ihn sei das nichts, aber seine Tochter würde das machen. Ich saß daneben und war erstarrt vor Schreck.“ Mit Kennerblick sticht sie das Fleisch auf dem Rost an, wendet die Würste über dem Feuer und schiebt die Glut zusammen. In ihrem Rücken füllt sich die gemütliche Stube mit Gästen, deren Blicke magisch von der am offenen Feuer souverän hantierenden Wirtin angezogen werden. Seit vielen Jahren ist sie jetzt die Seele des Hauses, aber der Anfang war schwer. „Manch einer hat mir natürlich nicht getraut. So ein junges Ding als Chefin von einem Traditionsbetrieb – unvorstellbar. Und der Stammtisch – da musste ich mir zu Beginn schon einiges anhören.“ Doch sie kämpfte sich durch und wurde zur Lenggrieser Bunker-Lisi, die keiner mehr missen mag.
Bestes vom Grill trifft würziges Kellerbier
Der Ruf ihrer Wirtschaft eilt ihr voraus. Es kommen regelmäßig Gäste aus München nur für ein Grillfleisch im Bunker, Urlauber buchen im Herbst ihren Winterurlaub und reservieren gleich als nächstes für zwei Wochen jeden Abend einen Tisch in der Dorfschänke. Die Plätze sind begrenzt und meistens gut besetzt, wer Anonymität sucht, ist hier definitiv falsch. In der Lenggrieser Dorfschänke zählt die gemeinschaftliche Gemütlichkeit. „Wir haben in der Stube nur 40 Plätze und wir setzen die Leute auch gemeinsam an die Tische. Auf diese Weise sind schon viele Freundschaften entstanden.“ Geschickt packt sie auf einen bereits mit einem Bauernbrot bestückten Teller zwei große, knusprige Ripperl. Egal ob Fleisch, Fisch oder Gemüse noch brutzelnd heiß auf kürzestem Weg serviert werden, für Liebhaber von Grillgerichten ist der Lenggrieser Bunker ein kleines, kulinarisches Paradies. Dazu wird traditionell das unfiltrierte, malzig-spritzige Kellerbier im Steinkrug gereicht – kalt, perlend und mit einem leicht süßen Antrunk ist es ein Bier, das neben den würzigen Speisen bestehen kann.
Reservierung empfohlen
Im Sommer platzt der Biergarten mit seinen gut 100 Plätzen gerne mal aus allen Nähten. Es ist anzuraten, zu reservieren, möchte man sicher sein, einen Tisch zu ergattern – inzwischen sommers wie winters. Wenn das Haus oder der Garten ausgebucht sind, hat die Wirtin mit ihrer derzeit nur vierköpfigen Truppe alle Hände voll zu tun. Dann sausen die zwei Bedienungen Elisabeth und Martina in Windeseile von Tisch zu Tisch und die beiden Kroatinnen Diana und Fatima vollführen in der kleinen Küche ein virtuoses Zubereitungsballett. Schließlich gibt es neben den Spezialitäten vom Grill auch andere Gerichte – von Schweinebraten über vegetarische Nudelgerichte, Salate bis hin zur beliebten Bunker-Brotzeit. „Ich hoffe, dass unser Betrieb noch lange weiterlaufen kann. Mir mangelt es nicht an Gästen, sondern an helfenden Händen. Ich suche dringend jemanden, der hier mitarbeiten mag. Er oder sie hätte es ja nicht schlecht bei uns.“, sagt die Wirtin und beginnt zu schwäremen: vom gemeinsamen Frühstück, von lauen Sommerabenden, an denen man noch bei einem letzten Radler beieinander sitzt, und vom alljährlichen Maibaumfest direkt vor den Türen der Dorfschänke. Ihre Augen leuchten noch, als sie lächelnd zu ihrem Stammtisch hinüber rauscht, wo man soeben nach „unserer Wirtin“ verlangt hat.
MeiDahoam Magazin 2/2016
Interview
Die Frau am Feuer
Eigentlich ist es ja eine letzte große Männerdomäne: Das Grillen. Frau macht Salat, Mann hängt sein Fleisch über‘s Feuer. Anders im Bunker in Lenggries: Hier steht ausschließlich die Wirtin selbst am Grill – am offenen Kamin mitten in der Gaststube.
Wie kam es dazu, dass Du selbst den Platz am Grill übernommen hast?
Anfangs hat mein Vater hier gegrillt und für mich war es klar, das werde ich nicht machen. Das ist eine Männeraufgabe, als Frau mache ich das auf keinen Fall. Schließlich hat es sich aber nicht vermeiden lassen. Ich war irgendwann mehr oder weniger gezwungen, es selber zu übernehmen. Aber innerhalb kürzester Zeit habe ich bemerkt, wie wunderbar es ist, hier in der Gaststube zu stehen und über dem offenen Feuer die Gerichte ganz frisch für die Gäste zuzubereiten.
Die Gäste können Dir quasi direkt auf die Finger schauen!
Genau! Der Platz hier ist ein bisschen wie eine Bühne. Ich mag es sehr, wenn ich meine Gäste um mich herum spüre und oft direkt eine persönliche Rückmeldung bekomme. Ich bin lieber bei den Leuten, anstatt mich in der Küche oder im Keller zu verstecken.
Fragen Dich die Leute nach Deinen Grill-Geheimnissen?
Ja, tatsächlich. Zum Beispiel danach, was für Holz ich benutze. Bei mir wird nur über Buchenholz gegrillt – Buche macht eine wunderbare Glut, ist das beste Grillholz. Fichte beispielsweise würde spritzen. Aber ein richtiges Geheimnis zu verraten gibt es gar nicht. Im Endeffekt muss man es ins Gespür kriegen, wann man nachlegt und wie lange das Fleisch braucht.
Was kommt auf Deinen Grill?
Brasilianische Rinderfiletsteaks, Lende, Halsgrad, Wammerl, Spearrips, Würste, manchmal auch Wild… gerne auch Gemüsespieße oder vor allem im Sommer dann auch einmal eine Forelle vom Bauern aus der Region.